Ehrenmal am Dohlenberg und  Schwalenberger Schützen um 1910

Die Jahreszahl 1576, die als Gründungsjahr der Schützengesellschaft angesehen wird, ist zwar das älteste bekannte Dokument über das Schützenwesen in Schwalenberg, aber wie alle Chronisten einheitlich bemerken nicht das eigentliche Entstehungsdatum des Schützenwesens, das in Schwalenberg - wie für viele andere Ortschaften auch - historisch im Dunkeln liegt. Ausgangspunkt für die Datierung ist eine Verordnung über das Rohr- und Flintenschießen in Schwalenberg. Solche Schießordnungen gab es in den folgenden Jahrzehnten und Jahrhunderten noch einige. Ein Hinweis aus dem Jahre 1576 soll besagen, dass Tilo von Mengersen, der seit 1558 als Landdrost Nachfolger seines Vaters, Herrmann von Mengersen (1528 - 1558), war, die Schwalenberger Schützen bedeutend verstärkt hat. Mit großer Wahrscheinlichkeit kann davon ausgegangen werden, dass Hermann von Mengersen als Drost und Pfandinhaber Schwalenbergs die Gründung der Schützengesellschaft forciert hat. Dies käme der Persönlichkeit dieses Mannes und auch seiner positiven Rolle in der Geschichte Schwalenbergs sehr nahe. Außerdem tauchen spätestens ab 1573 Schützenbriefe in den Dorfschaften des "Samtamtes" Schwalenberg auf.

Die Aufzeichnungen des Jahres 1576 sind nicht erhalten geblieben. Sie waren im Protokollbuch des Rates niedergelegt, "welches aber bei vorigen Kriegswesen sehr verweset". Die noch erhaltenen, ersten Quellen im Stadtarchiv Schwalenberg beginnen in der Mitte des 16. Jahrhunderts, so dass ältere Ereignisse im Ortsgeschehen erst gar keine Chance hatten, überliefert zu werden. So liegt uns vor Ort kein tatsächliches Dokument über die Gründung der Schwalenberger Schützengesellschaft aus der Zeit vor dem 30-jährigen Krieg vor. Das Bild vom damaligen Schützenwesen in Schwalenberg kommt folglich nicht ganz ohne Spekulationen aus.

Das Schwalenberger Grafengeschlecht hatte schon im 14. Jahrhundert praktisch alle hoheitlichen Rechte verloren und die Reste der Grafschaft Schwalenberg waren nach dem Aussterben des Grafenhauses durch einen Teilungsvertrag 1358 an das lippische Herrscherhaus und das Bistum Paderborn gefallen. Allerdings widmeten die weltlichen und geistlichen Besitzer ihrem neuerworbenen Landesteil wenig Aufmerksamkeit, zumal er in den Randbezirken ihrer jeweiligen Territorien lag und unter "Samtherrschaft" - also unter gemeinsamer Herrschaft - stand. Statt dessen versetzten und verpfändeten sie den Flecken oder auch Gebiete - je nach Finanzlage - an Gläubiger. Dies ging bis hin zur Teilung der Burg Schwalenberg. Im 16. Jahrhundert gelangten alle Pfandteile Schwalenbergs in die Hände eines Pfandherren, der als Drost nicht nur auf die weitere Ausplünderung des Ortes verzichtete. Hermann von Mengersen verlegte auch seinen Sitz in den Ort und ermöglichte durch seine umsichtige Politik die wohl schönste Blütezeit Schwalenbergs.

Die Gründung der Frühen Schützenorganisationen war ein Interessenausgleich zwischen Obrigkeit und Stadt- bzw. Landbevölkerung. Durch die selbstlose Beteiligung der Bevölkerung konnte sich der Landesherr manche Geldausgabe bei der Sicherung des Landfriedens ersparen. Andererseits lag die Organisation des Landfriedens im ureigensten Interesse der Bevölkerung, die somit die neuen Privilegien zur Gründung einer Schützengilde zwar vor Ort über eine funktionierende Einsatzleitung, unterstand aber formal der unbedingten Kontrolle und dem Oberbefehl des Landesherrn. Besonders deutlich wird diese landeshoheitliche Einsatzpflicht bei den ursprünglichen lippischen Städten wie Lemgo, Horn, Detmold, Lage und Blomberg, die nicht nur zu örtlichen Einsätzen verpflichtet waren, sonder auch dem Fürsten direkt Dienst zu leisten hatten. So wurden diese Gesellschaften immer wieder zu gemeinsamen Treffen und Inspektionen zusammengerufen, was allerdings auch immer wieder zu Eifersüchteleien und Reibereien führte. Ausgenommen von dieser Landesdienstpflicht waren neben den dörflichen Schützengemeinschaften u.a. Schwalenberg. Ein eindeutiger Grund hierfür ist nicht auszumachen, aber vor allem dürfte dies in der historisch-politischen Besonderheit Schwalenbergs gelegen haben - Schwalenberg als ursprünglich selbständige Grafschaft aber auch als lippischer Landesteil mit verbrieften Einflussrechten des Erzbischofs von Paderborn.

Die Schwalenberger Schützen während des 30-jährigen Krieges

Trotz der schwierigen politischen Gemengelage war es die Aufgabe der ortsansässigen Schützen, Land und Leute vor übergriffen von Banden und Kriminellen zu schützen.

Freilich erwuchs ihnen in den Söldnerherren des 30-jährigen Krieges ein übermächtiger Gegner. Schlaglichtartig beleuchtet ein eindrucksvoller Bericht aus den Anfangsjahren des 30-jährigen Krieges den Einsatz von Schwalenberger Schützen. Ein Reiterheer unter dem Befehl Christian von Braunschweigs, der schon als Verwalter (Administrator) des Bistums Halberstadt eingesetzt war (an anderer Stelle wird er auch Christian von Halberstadt genannt), besetzt im Frühjahr des Jahres 1622 das Bistum Paderborn. Die Truppen sind von Nordosten gekommen und haben in Afferde bei Hameln über die Weser gesetzt. Von hier aus rücken noch weitere Truppen nach. Einer dieser Truppenteile ist als Vorposten nach Steinheim verlegt. Jeder Truppenteil hat sich selbst zu verpflegen. Dabei weichen bald alle Skrupel. Aus Zwangsrequirierungen, die sich zunächst noch etwa nach Bedarf richteten, werden bald brutale Plünderungen.

In dieser Zeit sind auch die Schwalenberger Schützen mobilisiert und patrouillieren regelmäßig entlang der Amtsgrenzen. Lippe ist zwar als protestantisches Land nicht als Feind angesehen, ist aber trotzdem vor der rohen Willkür der Söldner nicht sicher. So auch an den beiden dramatischen Tagen, die uns in einem Bericht des Schwalenberger Rittmeisters Simon von der Lippe geschildert werden, den er am Ende seines Einsatzes an den Landdrosten Berndt Simon von Oeynhausen sendet.

Danach ist die Schwalenberger Schützenpatrouille beritten, was für eine insgesamt erhöhte Mobilität spricht. Über weitere Ausrüstungsdetails erfahren wir allerdings nichts, auch nichts über die Größe der Patrouille. Am 6. April 1662 stellen die Schützen auf einem üblichen Kontrollritt ins Amt Oldenburg einen Überfall auf die Ortschaft Münsterbrock fest. Eilig holen sie noch drei Schützen aus Born zur Hilfe und setzen zum Gegenangriff an. Sie stoßen auf sechs berittene Söldner, die dabei sind, Häuser und Höfe in Münsterbrock zu plündern. zu Verlusten an Menschenleben ist es aber noch nicht gekommen, obwohl die Bauern geschlagen und übel misshandelt worden sind. Der Schwalenberger Rittmeister zeigt sich in seinem Bericht fassungslos über die Verwüstungen und Grausamkeiten. Bestätigt wird die Erbarmungslosigkeit durch einen Hinweis in den Unterlagen der Abtei Marienmünster, wonach von den gleichen Truppen auch Kloster und Kirche in Marienmünster geplündert werden. Die marodierenden Söldner werden in dem Bericht des Schwalenberger Rittmeisters als "streifende (umherziehende) Rotte" bezeichnet, die aber nicht mit der heute noch geläufigen Bezeichnung "Rott" als Abteilung der Schützengesellschaft gleichgesetzt werden kann. Dieser Name tritt in der Schwalenberger Schützenvereinigung erst Ende des 19. Jahrhunderts auf.

Bei diesem ersten Aufeinandertreffen in Münsterbrock kann man der "Rotte" nicht nur die Beute abjagen. Es wird auch ein Gefangener genommen, der auf Anraten des "Trompeters" (hier als Meldereiter und Adjutant zu verstehen) in Schwalenberg verhört werden soll. Schließlich befinden sich im Tross der abrückenden Schwalenberger Schützen noch eine Anzahl verwundeter und ausgeplünderter Bauernfamilien mit Mägden und Knechten. Bei ihrem Rückweg trifft diese Gruppe allerdings erneut auf Söldner, diesmal sind es 14 Reiter, denen sie offensichtlich unterlegen sind. Man zieht sich zurück und sucht Deckung in Marienmünster. Die unberittenen und daher langsamen Bauern sind jedoch wieder übel dran. Schon aus Rache schlagen die grausamen Reiter wieder auf alle ein, derer sie habhaft werden können. Die Bauern rennen im wahrsten Sinne des Wortes um ihr Leben. Die Schützenpatrouille versucht noch zu beschwichtigen und zu verhandeln. Allerdings ist dies vergebens. Schüsse fallen. Auch auf die wehrlosen und verwundeten Bauern wird geschossen. In ihrer Not fordert die Schützenpatrouille aus Lothe und Brakelsiek Hilfe an und versucht, bis zum Eintreffen der Verstärkung die Stellung zu halten. Doch droht auch ihnen die Gefangennahme und Verschleppung nach Steinheim. So gibt der Schwalenberger Einsatzleiter schließlich den Befehl zur Flucht, woraufhin die berittenen Söldner den Bauern nachsetzen. Den Knecht des "Henrichen Krüger" treiben sie in den Teich an der Abtei Marienmünster und erschießen ihn als er im  Teich schwimmt. Seine Leiche kann erst am nächsten Morgen geborgen werden.

Inzwischen kann sich der Schwalenberger Rittmeister nicht mehr auf detaillierte Nachrichten stützen, denn der Melder weigert sich, allein auszubreiten um die Lage zu erkunden. Der Rittmeister zeigt hierfür auch Verständnis und schreibt, dass diesem die Angst im Gesicht abzulesen sei, nachdem ihn die Reiter mit der Pistole bedroht hätten. So ist der Rittmeister auf Nachrichten andere Personen angewiesen, die Zeuge der Gewalttaten geworden sind und Schutz in Schwalenberg suchen. So weiß ein " Riesemeyer" zu berichten, dass die Söldner auch auf zwei kleine Kinder geschossen haben, die sich unter einer steinernen Brücke versteckt hatten. Selbst die Kinder seien ausgeraubt worden. Schließlich findet man auch den "Rodemeierischen Knecht" ermordet im Hofteich. Die Leiche soll bewacht werden, bis Gerichtshelfer den Fall untersuchen können. Missmutig muss der Schwalenberger Rittmeister eingestehen, dass auch ein Fall von Pferdediebstahl nicht aufgeklärt werden kann, da auch hier sich der Melder geweigert hat, nochmals auszureiten, um weitere Informationen einzuholen. Der Rittmeister schließt seinen Bericht damit, das die Söldner Geiseln genommen und nach Steinheim verschleppt haben. Einer davon, Johan Wessel Kreyberg, habe für 25 Reichsthaler ausgelöst werden können, für die übrigen werde aber noch eine Kontribution von weiteren 200 Reichsthalern gefordert. Die Befragung des Gefangenen ergab einige strategische Informationen: So sollen zwei Kompanien jenseits der Weser, östlich von Hameln gelagert haben, die sich in das Amt Aerzen bewegen sollen. Sie stehen unter dem Befehl der Rittmeister Heinrich Julius von Witersheim und David Schneidewindt.

Aus dem ganzen Bericht des Rittmeisters spricht pure Verzweiflung über die eigene Ohnmacht und Schwäche, aber auch über die Grausamkeit des Krieges. Er fordert, in Schwalenberg verstärkt Schützen zu berufen, da sich der Schutz der Untertanen sonst nicht aufrecht erhalten lasse. Die Schützen müssten zuverlässig und schnell zu benachrichtigen sein. Mit den Bauern selbst sei hierbei nichts anzufangen. Besonders im Amt Oldenburg würden sich die Bauern selbst nicht wehren und er fragt sich, warum die Schützen um dieser Leute Willen ihr Leben aufs Spiel setzen sollen. Er meint, die Bauern seien zu erschrocken und trauerten all zu sehr.

Schwalenberg überstand das Jahr 1622 zwar noch einigermaßen schadlos, während das Umland schon Übel zugerichtet wurde, aber im Jahre 1626 und später nochmals 1633 ereilte es auch Stadt und Burg Schwalenberg. Zunächst zogen Pappenheimsche und 1633 auch Tillysche Truppen durchs Schwalenberger Land. Dabei wurde 1626 die Burg ganz zerstört und in jedem Fall auch die Lateinschule niedergebrannt. Wie viele Privathäuser und Menschenleben diesen Überfällen zum Opfer fielen, ist nicht überliefert, auch nicht ob es noch eine Schützenorganisation gab, die versuchte Widerstand zu leisten. 

Der Bericht zeigt, dass die Schützen noch in den Anfängen des 30-jährigen Krieges versuchten, ihrem Auftrag gerecht werden. Allerdings tritt auch deutlich ihre Unterlegenheit zu Tage. Spätestens mit dem Überfall der von Pappenheimschen Truppen wurde dem Selbstschutz der Bürger jede Chance in Schwalenberg genommen. Derartige Überfälle wiederholten sich. Krieg und Pestwellen hinterließen zum Ende des Krieges noch 55 bewohnte Stätten in Schwalenberg. Die ersten Aufzeichnungen nach dem westfälischen Frieden von Münster und Osnabrück (1648) weisen nach 69 wehrfähige Männer im Flecken aus den Umständen nach darf man vermuten, dass dabei schon recht großzügige Maßstäbe angelegt wurden.

Verbreitung des Schützenwesens:

Nach dem furchtbaren Glaubenskrieg war Aufbauarbeit notwendig. Die Landesherren erließen für den Ort Privilegien, die den Menschen helfen sollten. So errichteten sie u.a. im Jahre 1661 das Brauamt für Schwalenberg und zwei Jahre später wurde ebenfalls mit landesherrlicher Zustimmung eine neue Schieß- und Schützenfestordnung erlassen, die uns ein lebendiges Bild vom schützenleben in Schwalenberg nach dem 30- jährigen Krieg vermittelt. Die in dieser Festschrift abgedruckte Einladung aus dem Jahre 1663 über das " Frey- und Schiessspiel" in Schwalenberg legt darüber ein beredtes Zeugnis ab. Sie diente der Schwalenberger Schützengesellschaft als Grundlage für die Ausrichtung des " Amtsschützenfestes" im Jubiläumsjahr 2001.

Nicht nur durch sein Marktrecht, auch durch gewachsene politische Bindungen, gingen von Schwalenberg Impulse auf das Umland, besonders auf die nach Süden und Südosten gelegenen Ortschaften aus. Diese gehörten zum zusammen gefassten Amtsbezirk der Ämter Oldenburg, Stoppelberg und Schwalenberg und umfasste geographisch die heutige Großgemeinde Marienmünster, Lügde-Südstadt, Schieder-Schwalenberg sowie Teile der heutigen Gemeinden Nieheim und Steinheim bis Entrup als südwestlicher Eckpunkt. Sie spiegelten damit die Reste des Kernbereichs der alten Schwalenberger Grafschaft wieder, in dem noch die ehemaligen Ritter- und Vasallenfamilien, wie die von Haxthausen, von Oeynhausen, von Kanne usw. ihre Güter hatten. Sie verwalteten auch die Schützenprivilegien und stellten die Schützenbriefe aus. Diese Einflussnahme kommt auch in den vielfach gleichlautenden Schützenordnungen verschiedener umliegender Dörfer, wie Kollerbeck oder Entrup mit den jeweils vorangehenden Schützenordnungen in Schwalenberg zum Ausdruck.

Bleibt aus der Frühzeit der lippischen Schützengeschichte zusammenzufassen, dass in der Mitte des 16. Jahrhunderts das Schützenwesen Lippe erreicht. In Schwalenberg etabliert es sich vor 1576 in einer Blütezeit des Ortes. So kann sich der Marktflecken in die Reihe der städtischen Schützengesellschaften in Lippe einreihen und wesentliche Impulse für das Entstehen von Schützenvereinen in den benachbarten Dörfern geben.

 
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